Heinrich Seidel: Neues Glockenspiel

II. ERZÄHLUNGEN


DER WASSERMANN

Es war ein Mann so siech und krank,
Dass ihm nicht half des Doktors Trank.
Man sprach, da schlägt nur eins noch an:
»Wem in der Schlucht der Wassermann
Von seiner Quelle tiefstem Grund
Das Wasser gibt, der wird gesund.«
Drei schöne Töchter waren da:
Nun höret weiter, was geschah.

Armide war ein stolzes Blut,
Hielt für die Welt sich fast zu gut.
So schwarz wie Rabenflügel war
Ihr schön gewelltes Seidenhaar
Und ihre Haut wie Elfenbein,
Gleich einer Fürstin sah sie drein.
Mit stolzem Schritt ging sie hinaus
Zu jenes Wassermannes Haus,
Und in den weissen Händen trug
Von Silber sie den schönsten Krug,
Der nur im Hause war gewesen.
Gekleidet war sie auserlesen
In Goldbrokat und Samt und Seide;
Geziert mit köstlichem Geschmeide
War Hals und Nacken, Arm und Hand.
So trat sie hin und trug gewandt
Mit stolzem Wort die Bitte vor.
Der Wassermann kratzt sich am Ohr
Und sieht mit seinen Aeuglein grün
Hin auf die Schöne, die so kühn.
»Das Wasser will ich gern dir geben,
Doch musst du ferner mit mir leben
Als meine Frau an diesem Ort!
Darauf verpfände mir dein Wort.«
Sie sah ihn stolz und feindlich an:
»Was denkt sich dieser Wassermann?
In diesen feuchten Felsenmauern
Will ich mein Leben nicht vertrauern
Als eines haar'gen Scheusals Weib –
Da weiss ich bessern Zeitvertreib!«
So dachte sie und fuhr heraus:
»Nein, nimmermehr! da wird nichts draus!«
»Ich dacht' es schon,« so sprach mit Grinsen
Der Wassermann, griff in die Binsen,
Zog einen schwarzen Stein hervor
Und warf ihn in die Luft empor.
Gleich stand ein blankes Rösslein da,
So schön, wie man es selten sah,
Und scharrte sittsam mit den Hufen
Die grün bemoosten Felsenstufen.
»Dies soll nach Hause dich geleiten –
So stolze Damen müssen reiten!«
Sprach nun der Wassermann galant,
Half in den Sattel ihr gewandt,
So dass Armide, fast gerührt,
Ein wenig Dankbarkeit verspürt,
Denn reiten, das war ihre Lust
Vor Freude hob sich ihre Brust,
Als nun das Rösslein sanft und sittig
Sie forttrug wie auf Schwanenfittich.
Doch plötzlich rief's: »Heiho! Heiho!«
Und in die Hände klatschte so
Der Wassermann, dass toll und wild
Das Rösslein stürmte ins Gefild,
Durch strupp'ges Buschwerk, Wald und Weide,
Durch Dorn und Disteln auf der Heide
Und dann durchs Wasser, dann durchs Moor,
Dann raste plötzlich es durchs Thor
Und warf kopfüber, welch ein Graus,
Die Schöne ab vor ihrem Haus!
Doch an der Stelle, wo's verschwunden,
Ward nur ein schwarzer Stein gefunden.

Sylphide ging am andern Tag,
Die braunen Zöpfe hüpften nach,
Als so im Kleid von Silberzindel
Hintänzelte das muntre Kindel.
Sie trug ein venetianisch Glas –
Gar zierlich und gar schön war das
Und als sie ankam – augenblicks
Sprach sie nach einem hübschen Knix
Dem Wassermann die Bitte vor.
Der kratzte wieder sich am Ohr
Und sprach zu ihr, wie zu Armiden. –
Gar nicht behagte dies Sylphiden,
Und übermütig lachte sie
Und nicht des Vaters dachte sie.
Sie drehte dreimal sich herum
Und sprach: »Das wäre doch zu dumm,
Müsst' ich mit dir zu Tanze gehn,
Du Patschefuss! das möcht' ich sehn!«
»Ich dacht' es schon,« so sprach mit Grinsen
Der Wassermann, griff in die Binsen,
Zog einen Halm und blies ihn an
Und drehte ihn, da ward's ein Mann
Gleich wie aus Nebeldunst gemacht,
Und eh' Sylphide es gedacht,
Ward sie gepackt, dann ging es fort
In wildem Tanz von Ort zu Ort.
Und gellend pfiff der Wassermann
Und rief mit Donnerstimme dann:
»Heiho, mein Püppchen, tanz', mein Kind,
Dein Tänzer ist der Wirbelwind!«
Das war ein Jagen und ein Toben,
Dass rings die welken Blätter stoben
Die Wipfel brausten, Wasser schäumten,
Zum Himmel sich die Wogen bäumten,
Und unter Blitzen, Donnerschlägen,
Mit Hagelschlossen, Sturm und Regen
Kam sie halbtot zu Hause an –
Verschwunden war der Tänzer dann.

Doch um des dritten Tages Mitte
Zog nun Elfriede aus, die dritte.
Sie ging in schimmernd weissem Kleide
Und trug nicht Perlen noch Geschmeide,
Allein wie lauter Gold erglänzte
Das Haar, das ihre Stirne kränzte.
Ein irden Krüglein in der Hand,
So trat sie an des Brunnens Rand
Und trug bescheiden und voll Sitte
Dem Wassermanne vor die Bitte. –
Dieselbe Antwort ward ihr dann. –
Es kam sie wohl ein Grauen an,
Dieweil er gar zu hässlich war:
Schilfartig sein verfilztes Haar,
Der Leib mit zott'gem Fell bedeckt
Ein Popanz, der die Kinder schreckt –
Und seine Zähne spitz und grün.
Doch ohne Schwanken sprach sie kühn,
Weil sie des kranken Vaters dachte,
Dem dies allein Genesung brachte:
»Gibst du das Wasser, bin ich dein!«
Da ging es wie ein Sonnenschein
Gar freundlich über seine Fratze,
Er langte mit der haar'gen Tatze
Hinein in seine Wunderquelle
Und brachte ein Gefäss zur Stelle,
Das war geschnitten aus Smaragd,
Das reichte er der schönen Magd.
Die wollte freundlich dankend gehn –
Er rief: »Bleib noch ein Weilchen stehn!«
Besprengt mit Wassertropfen sie:
Zu lauter Perlen wurden die,
Und Diamanten voll von Glanz.
Nun einer Fürstin glich sie ganz
Und stand mit strahlendem Gefunkel
Gar lieblich in der Felsschlucht Dunkel.
Drei weisse Kiesel nahm er dann
Und sprengte sie mit Wasser an:
Da stand, um sie nach Haus zu tragen,
Ein schimmernder Perlmutterwagen,
Mit zweien Pferdchen, weiss und rein;
Da stieg Elfriede froh hinein.
Die Silberpferde zogen an –
Zur Harfe griff der Wassermann,
Erhob ein liebliches Getön
Und sang dazu so wunderschön,
Dass es ihr Herz gefangen nahm
Und sie Verwundrung überkam,
Wie in dem Leib so reizesohne
Solch eine schöne Stimme wohne.

Die beiden Schwestern aus dem Haus
Sahn spöttisch nach Elfrieden aus.
Da kam sie leuchtend angefahren,
Dass beide stumm und neidisch waren.
Ins Krankenzimmer trat sie ein,
Da glänzte rings ein heller Schein.
Der Vater trank mit durst'gem Munde
Und ward gesund zur selben Stunde.
Die Schwestern aber voll von Neide
Ob jenem schöngeschmückten Kleide,
Die höhnten sie mit argem Sinn
Und nannten sie: Froschkönigin.

Doch morgens, als noch alles schlief,
Da kam es an das Thor und rief:
»Du schönes Mädchen, komm hervor,
Dein Bräutigam steht vor dem Thor!«
Elfriede aber voller Grauen,
Sie wagte nicht hinauszuschanen.
Nun ging die Hausthür leise nur,
Dann rief es wieder auf dem Flur:
»Du schönes Mädchen, komm heraus,
Dein Bräutigam ist schon im Haus!«
Herauf die Treppe kam es dann:
Tapp, tapp, tapp, tapp, nun klopft' es an
»Du schönes Mädchen, komm herfür,
Dein Bräutigam steht vor der Thür!«
Da ging' sie hin und schloss ihm auf.
Ein Schauder packte sie darauf,
Als sie das Ungetüm sah stehn,
So greulich war es anzusehn.
Doch als er sprach: »Nun ist es Zeit«,
Da sagte sie: »Ich bin bereit.«
Drauf er: »Doch wasche mich vorher!«
»Ich thu', was du befiehlst, mein Herr!«
Sie wusch ihn, doch welch grosses Wunder,
Da fällt das Fell ihm ab wie Zunder,
Und vor ihr steht in schönem Kleide
Von blauem Samt und gelber Seide,
Der schönste Jüngling von der Welt,
Der gleich ihr Herz gefangen hält
Doch draussen stampft's und Schellen bimmeln:
Ein Wagen hält dort mit vier Schimmeln.
Der Diener springt, die Thür geht klappt
Und schnurr – da sausen beide ab.

Die finstre Schlucht war nun ein Schloss,
Dess' Thürme goldnes Licht umfloss.
Von blühnden Gärten war's umfangen,
Drin Quellen rauschten, Vögel sangen.
Dort lebten sie noch lange Zeit
In eitel Glück und Fröhlichkeit!

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