Heinrich Seidel: Neues Glockenspiel

V. EPIGRAMME UND HUMORISTISCHES.


DAS LIED VON DER STADTBAHN. *

(Gesungen bei der Eröffnungsfeier).

Mel: Ich hab den ganzen Vormittag etc.

So mancher spricht gewichtig schwer,
Da nun das Werk vollbracht,
Manch grosses Wort vom Weltverkehr
Und von der Technik Macht.
Ein Bau, wie man ihn selten sah,
So urgewaltig steht er da.
  Vivallera etc.

Doch lächelt drob der Weise nur,
Der geisteskraftbeschwingt
Bis in die Tiefen der Natur
Und zu den Quellen dringt,
Und lächelnd spricht er: »Glaubt es mir,
Vor allem dient dies Werk dem Bier!

Fürwahr, wer diese Bogen schuf,
Der wusste, was er that:
Das Bier hat einen Weltberuf,
Dem Biere schuf er Rath.
Der Zug der Zeiten einzig drängt
Nach Orten, wo man Bier verschänkt!«

Uns kümmert nicht, was oben braust,
Sich in die Ferne schwingt –
Wir sitzen unten wohlbehaust,
Allwo das Bier entspringt,
Und segnen frohvergnügt die Stadt,
Die so viel schöne Bogen hat

Und lieblich aus der Zukunft Zeit
Steigt mir ein Bild herauf,
Wo Kneipe sieh an Kneipe reiht –
Der Segen hört nicht auf.
Von Ost nach Westen überall:
Ein ungeheuer Bierlokal!

Es weht ein holder Beefsteaksduft
Dann um die ganze Bahn,
Und die geliebte Kneipenluft
Umsäuselt lind den Plan,
Und meilenweit fährt man demnach
Entlang auf einem Wirthshausdach!

Und ewig preiset man den Ruhm
Der Männer, die's gemacht,
Die an des Bieres Heiligthum
Geschaffen Tag und Nacht,
Die mächtig uns dahingestellt
Das grösste Wirthshaus von der Welt!


* In den Bogenöffnungen dieser Bahn befinden sich unzählige Restaurationen und Bierlokale.
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