II. NACHDENKLICHES UND BESCHAULICHES
Es rankt die Rebe am rauschenden Rheine,
Die Kräfte der Erde saugt sie empor!
Sie bindet den Sommer und bannt ihn in Beeren,
Sie wendet und wandelt im Wechsel der Wochen
Der Sonne Gefunkel zu flüssigem Feuer,
Der Sonne Gleissen in glänzendes Gold,
Und füllt die Fässer mit feurigen Fluthen,
Der sinkenden Sonne Abschiedsgeschenk.
Im dämmernden Walde mit süssen Düften
Wächst in der Wildniss ein zierliches Würzkraut
Ein feines Pflänzlein, Waldmeister genannt
Frühzeitige Düfte des frischen Frühlings,
Ein Waldeswürzhauch entströmet wohlig
Dem linden Kräutlein in lieblicher Kraft.
Es mischt nun der Meister mit weisem Maasse
Das Gold des Herbstes zur Gabe des Frühlings
Der Sonne Feuer zur Waldeswürze,
Dass lieblich vereint sich Anfang und Ende.
Das Sonnen-Entsprossne dem Schatten-Enttauchten,
Die duftende Milde der leuchtenden Macht.
O füllt mir den Becher mit funkelndem Feuer,
Füllt ihn zum Rande mit goldener Gluth!
Bei seinen Düften gedenk ich der Jugend
Der längst entschwundenen lieblichen Zeit,
Der guten Genossen, der goldenen Tage,
Denk ich an Frühling und Frohsinn und Freiheit
Und lieblichen Mondschein und lächelnde Mädchen
Mit roten Rosen im goldnen Gelock.
O füllt mir noch einmal den funkelnden Becher!
Ihn bring' ich der Jugend, ihn bring' ich der Liebe
Dem Schönen, dem Guten, dem heilig Hohen,
Was hold die Herzen der Edlen erhebt.
Ihn bring' ich dir, das du Alles umschliessest.
Dir, du mein deutsches Vaterland! -
Dir bring ich den Trank vom rauschenden Rheine
Mit deines Waldes Düften gewürzt!
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