Sass im Fegefeuer eine arme Seele,
Die nicht klagte ob der eignen Schmerzen,
Sondern unablässig seufzend rief sie
Einzig immer: »Paul, ach, armer Paul!«
Als vom Himmel nun ein lichter Engel
Niederschwebte, mildiglich zu trösten
Die so viel gequälten armen Seelen,
Blieb doch diese eine stets untröstlich,
Rief nur immer: »Paul ach, armer Paul!«
Und es fragte sie der Engel, liebreich
Kühlung hauchend in die Feuersflammen:
»Sprich, was fehlt dir liebe, arme Seele?«
Und sie sprach: »Ich liess zurück auf Erden
Meinen theuren guten Mann untröstlich.
Er verzehrt in Jammer sich und Klagen,
Einmal nur, ach, nur noch einmal' möcht' ich
Wiederkehren auf ein Viertelstündlein,
Trost zu bringen seinen wilden Schmerzen.«
»Nun, wohlan, es sei!« so sprach der Engel,
»Aber tausend Jahre länger musst du
Dann in Fegefeuerflammen büssen.«
»Gern, und wären's hunderttausend Jahre«
Und der Engel löste nun die Ketten,
Nahm das Seelchen in die weissen Arme,
Flog mit ihm zur alten Erdenheimath.
Aber weh, du liebe arme Seele,
Weh, im Kreise wüster Zechgenossen
Und von einer Dirne Arm umschlungen
Fand sie jenen, den ihr Herz begehrte.
»Lieber guter Engel,« sprach sie tonlos,
»Führe mich zurück ins Fegefeuer!«
Milde strahlte nun des Engels Antlitz:
»Mehr als tausend Jahre Feuersqualen
Hast du hier im Augenblick erduldet!«
Sprach's und trug mit sanftem Arm sie aufwärts
Zu des Himmelreiches goldnen Höhn! –
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