Es war ein junger Muselmann
Durchaus gewillt, ein Dieb zu werden,
Drum reiste er nach Chorassan,
Weil es bekannt, dass auf der Erden
Kein grössrer Meister solcher Art
Als gerade dort gefunden ward.
Der Meister nahm ihn freundlich auf;
Die Tafel war gedeckt im Saale,
Und Alle setzten sich darauf
Vergnüglich hin zum Mittagsmahle.
Der Schüler ass in guter Ruh ...
Der Meister sah verwundert zu.
»Ei, du verstehst, ich seh' es schon,
Zu essen nicht und nicht zu trinken;
Die Rechte brauchest du, mein Sohn,
Und wir bedienen uns der Linken.
Mich wundert, dass du Dieb dich nennst
Und nicht die Tischgebräuche kennst.«
»Du fragst, warum? Zu unserm Heil,
Denn alle Tage kann's passiren,
Dass man die rechte Hand durch's Beil
Des Henkerknechtes muss verlieren,
Drum übt die Linke man bei Zeit
Und kommt nicht in Verlegenheit!«
Dem Schüler ward so wunderlich:
Ein Schauer ging ihm durch die Glieder,
Und ganz im Stillen schob er sich
Zur Thür hinaus und kam nicht wieder
Und sprach: »Bei Allah, der mich schuf,
Ich fand ein Haar in dem Beruf!«
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