War ein Gastwirth einst in Hessen
Von dem heissen Wunsch besessen,
Reich zu werden möglichst bald;
Und so trieb er's mit Gewalt:
Schänkte den getauften Wein
In Gemässen, winzig klein,
Und verfälschte alle Dinge;
Keines schien ihm zu geringe.
Knapp und theuer war das Essen!
Hafer, den er zugemessen,
Stahl er nächtlich wieder fort
Und betrog so hier als dort.
Aber sieh, ihn floh das Glück!
Immer mehr kam er zurück
Und gerieth in grosse Noth,
Hatte selber kaum das Brod.
Und da half kein Mühn und Placken,
Half kein Knausern und kein Zwacken;
Plagte er sich noch so sehr,
Blieb sein Beutel dennoch leer.
Eines Tages kam gefahren
Kecken Muths und jung an Jahren
Ein Student aus fremdem Land,
Der die schwarze Kunst verstand.
Diesem klagte lang und breit
Nun der Gastwirth all sein Leid,
Sprach: »Dass nichts mir will gelingen,
Geht nicht zu mit rechten Dingen.
Drum erweiset mir die Gunst,
Helft mir doch mit Eurer Kunst!«
Doch es lachte der Student:
»Ei, Herr Wirth, potz Element!
Wollt Ihr freie Zeche geben,
Will ich wohl den Zauber heben.
Ihr habt unten einen Gast,
Der das Eure Euch verprasst;
Habt Ihr Neigung, ihn zu sehn,
Lasst uns in den Keller gehn.«
Beide stiegen dann hinab.
Der Student zog auf und ab
In dem Keller seine Kreise,
Murmelte sein Sprüchlein leise,
Bis er endlich laut beschwor:
»Lollus, Lollus, komm hervor!«
Aus des Kellers finstren Ecken
Kam mit Gähnen und mit Recken,
Als der Studio so gesprochen,
Nun ein Unthier angekrochen:
Dick und schwammig, riesengross,
Wie ein Hippopotamos,
Ganz entsetzlich anzusehn,
Konnte kaum vor Fett noch gehn.
Und es sprach der Studio
Zu dem Wirthe nun also:
»Seht Ihr wohl? Das kommt vom Panschen,
Kommt vom Mogeln und vom Manschen!
Alles, was Ihr falsch gemessen,
Das hat dieses Thier gefressen,
Alles hat es aufgesogen,
Was den Gästen Ihr entzogen,
Denn es nährt sich von Betrug!
Und es wurde fett genug,
Denn bei Euren bösen Sitten
Hat es niemals Noth gelitten.
Darum – jetzt noch ist es Zeit –
Haltet's mit der Ehrlichkeit!
Dann wird dieser Fluch genommen,
Und das Thier herunterkommen.
Alles nämlich kann sein Magen,
Nur nichts Ehrliches vertragen!«
Sprach's, und liess den Wirth allein.
Diesem bebte das Gebein,
Und er schwur, erschreckt genung,
Reuevolle Besserung.
***
Abermals nach ein'gen Jahren
Kam desselben Wegs gefahren,
Als ein Doctor wohlbestallt,
Der Student, und alsobald
Kehrte dort er wieder ein. –
Gleich den allerbesten Wein
Trug der Gastwirth aus dem Keller:
Malvasier und Muskateller,
Und gar bald aus seiner Küche
Drangen liebliche Gerüche.
Dann mit freudigem Gesichts
Trug die köstlichsten Gerichte
Er dem fremden Doctor auf,
Schmunzelte und sprach darauf:
»Ewig muss ich Dank Euch wissen!
Ihr habt mich herausgerissen!
Seht nur meine Wirthschaft an,
Heut bin ich ein andrer Mann!
Aber eines möcht' ich sehn,
Wie's dem Lollus mag ergehn?
Darum bitt' ich: Zeiget mir
Doch noch einmal dieses Thier!«
Beide stiegen dann hinab,
Und der Doctor auf und ab
Zog im Keller seine Kreise,
Murmelte sein Sprüchlein leise,
Bis er endlich laut beschwor:
»Lollus, Lollus, komm hervor!«
Aus des Kellers finstrem Grunde
Kam es nun zur selben Stunde,
Kroch es her mit leisem Greinen,
Jammervoll auf dünnen Beinen:
Miesepetrig, blass und krank,
Müd' und hinkend, todesbang.
Jeder Schritt schien's zu ermatten,
Kaum noch warf es einen Schatten,
Dass man klar und deutlich sah:
Seinem Ende war es nah.
Plötzlich aus des Kellers Thor
Kam ein Wirbelwind hervor,
Nahm das Thier und trug's hinaus
Durch das Fenster vor das Haus,
Wo's wie Rauch sich kräuselte
Und gemach versäuselte.
»Seht Ihr,« sprach der Doctor nun,
»Lollus hat nichts mehr zu thun,
Als zu schnüffeln und zu lungern
Und allmälig zu verhungern.
Darum folgt er seinem Stern,
Sucht sich einen neuen Herrn.
Aber Ihr – zu Eurem Frommen –
Lasst ihn niemals wiederkommen,
Denn das zweite Mal – fürwahr –
Frisst er Euch mit Haut und Haar!«
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