Ludwig Achim von Arnim
Lieben und geliebt zu werden
Ist das einzige auf Erden,
Was ich könnte, was ich möchte,
Was ich dächte,
Dass es mir noch könnte werden,
Lieben und geliebt zu werden.
Lieben und geliebt zu werden
Lehrt ihr mich, ihr muntern Herden,
Wenn gehörnte Böcklein springen,
Muss ich singen:
Lieben und geliebt zu werden
Wünsch ich mir, es wird mir werden.
Lieblich um geliebt zu werden
Treibt des Abends Gold die Herden
Mit dem frohen Sängergruße
Zu dem Flusse;
Könnt' ich meinen Sinn erkühlen,
Auszuströmen, auszufühlen.
Liebend auch geliebt zu werden,
Ach wer trug da nicht Beschwerden,
Seht die Stiere scharf sich drängen;
Leichte Gänge!
Streitend möcht' ich für sie sterben,
Für sie leben, sie erwerben.
Liebe, die ich lieben werde,
Ich der glücklichste der Erde,
Und sie muss mir bald begegnen,
Mich zu segnen;
Denn noch nie mit süßerm Schallen
Schmetterten die Nachtigallen.
Liebe tritt mir bald entgegen,
Wie dem Frühling warmer Regen,
Grüne Blätter und von allen
Tropfen fallen:
Und kein Tropfen soll verkommen,
Warum war ich doch beklommen?
Liebend um geliebt zu werden.
Lauscht der Wald dem Tritt von Pferden!
Kommt Sie da? Ich hör im Düstern
Vögel flüstern!
Nein, es jagen sich die Füllen,
Kinder lieben nicht im stillen.
Lieb ich um geliebt zu werden,
Still genügen mir Gebärden,
Vor mir leise reden, lachen,
Sie umwachen!
Mein vertrauter Lustgefährte
War' der Traum auf ihrer Fährte.
Liebend um geliebt zu werden
Reis' ich um die grüne Erde;
Ach wo wird der Blick mich finden,
Der mich bindet?
Und an welchem frommen Herde
Bleib ich um geliebt zu werden?
Lieben und geliebt zu werden,
Lieblich Dasein, lieblich Werden,
Heimlich Wesen und verstohlen,
Wo sie holen?
Ach in welchen öden Mauern
Mag sie lauern, mag sie trauern.
Liebend gleich geliebt zu werden,
Letzte Abendröt' beschere,
Löse auf der roten Schleifen
Himmelsstreifen:
Sinkt des Auges helle Wonne,
Mir im Herzen steigt die Sonne.
Wie mein Auge sich verklärte,
Alles flüchtet, was beschwerte,
Wie auf Wiesen Lüftlein zittern
Hell zu flittern:
Flitterwoche wird mein Leben;
Wird dann hell in Nacht verschweben.
Liebend so geliebt zu werden,
Ach zu arm ist diese Erde,
In die Lüfte muss ich küssen,
Sie zu grüßen:
Nur der Überfluss der Sterne
Gibt mir Zeichen aus der Ferne.
Liebend wieder g'liebt zu werden,
Lieget ruhig, liebe Herden,
Lasst euch nicht im Schlafe stören,
Mich zu hören!
Hört, ich muss nur Luft mir machen,
Singend in das Feuer sehn und wachen.
Der freie Dichtergarten - Fünfte Stimme.
Quelle: „Tröst-Einsamkeit - Alte und neue Sagen und Wahrsagungen, Geschichten und Gedichte“
Hrsg. von Ludwig Achim von Arnim bei Mohr und Zimmer, Heidelberg 1808
Liebesgedichte -
Gedichtinterpretationen
-
Gedichtanalysen
audible-Hörbücher KOSTENLOS testen