Anna Louisa Karsch
auch genannt „die Karschin“
Schön ist der Morgen, schön die trunkne Flur,
Von Gottes Wolken gestern überströmt
Und heute früh von seiner Sonne Glanz
Mit Blumenschöpferblicken angelacht.
Die Rose drang aus grüner Knospe leicht,
Wie mein Gedank aus diesem Herzen dringt,
Aus dieser neuerweckten Seele steigt
Zu dem, der mich wie Blumen werden ließ,
Verwelken und zu Staube werden läßt,
Wenn eine mir bestimmte Stunde kömmt.
Ich preise dich, wie dich der Vogel preist,
Der unter deinem niedern Himmel schwebt,
Ich danke dir, wie dir die Grille dankt,
Die kummerfrei von Halm zu Halme hüpft
Im manneshoch heraufgewachsnen Korn.
Ich bitte dich mit aller Flehekraft,
Die du den Menschen eingegossen hast:
Erhalte mir ein immerfrohes Herz
Voll Zuversicht auf deine Vaterhuld,
Bewahre mich vor Lebensüberdruß,
Laß mich im Alter noch das Tagelicht
Mit diesem Auge trinken, welches dich
In deinen Werken wie im Spiegel sieht.
Und wie mein Auge schütze meinen Freund!
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