Selma Meerbaum-Eisinger
Ich bin der Regen, und ich geh'
barfuß einher von Land zu Land.
In meinen Haaren spielt der Wind
mit seiner schlanken, braunen Hand.
Mein dünnes Kleid aus Spinngeweb'
ist grauer als das graue Weh.
Ich bin allein. Nur hie und da
spiel' ich mit einem kranken Reh.
Ich halte Schnüre in der Hand,
und es sind auf ihnen aufgereiht
alle die Tränen, welche je
ein blasser Mädchenmund geweint.
Sie alle habe ich geraubt
bei schlanken Mädchen, spät bei Nacht,
wenn mit der Sehnsucht Hand in Hand
sie bang auf langem Weg gewacht.
Ich bin der Regen, und ich geh'
barfuß einher von Land zu Land.
In meinen Haaren spielt der Wind
mit seiner schlanken, braunen Hand.
(1941)
Gedichtinterpretationen
-
Gedichtanalysen
audible-Hörbücher KOSTENLOS testen