August Schnezler

Vom Mummelsee im Schwarzwald

9. - Die Mummelzwerge

»Mann, du mußt den Pfaffen holen,
Daß den Spuk er banne!
Alles wird uns sonst gestohlen
Noch aus Topf und Kanne!
Mag ich Alles auch verschließen,
Speis' und Trank verbergen,
Nichts ist sicher mehr vor diesen
Unverschämten Zwergen!

Speck und Eier, Rahm und Butter
Aus der Speisekammer,
Aus dem Stall sogar das Futter,
– Ist das nicht ein Jammer? –
Alles uns hinwegstipitzen
Tun sie Nachts im Stillen,
Und durch Schlüsselloch und Ritzen
Schlüpfen sie wie Grillen.« –

»Frau, ach Frau! das sind die Zwerge
Aus des Seees Grunde,
Wo sie wohnen hinterm Berge
Mit der Höll' im Bunde;
Alle Nacht zur Geisterstunde
Schleicht ein Trupp ins Tal sich,
Bei den Wirten in der Runde
Holen sie das Mahl sich.

Diese Woche ist die Reih' hier
Nun an uns gekommen,
Und der Pfaffe, Gott verzeih' mir!
Wird da wenig frommen.
Doch will ich, 's kann ja nicht schaden,
Zu dem heil'gen Manne,
Auf heut Nacht ihn einzuladen,
Daß den Spuk er banne.« –

Pünktlich stellt bei unserm Paare
Nachts der Pfarrer ein sich,
Daß er kühnen Mut bewahre,
Stärkt er erst mit Wein sich,
Zündet an hierauf im Kreise
Die geweihten Kerzen,
Denn mit Geistern solcher Weise.
Läßt es sich nicht scherzen.

Dann besprengt er Tisch' und Bänke
Rings mit Weihewasser,
Tisch' und Bänke, Herd' und Schränke
Werden immer nasser ;
Immer nasser Flur und Wände
Bis in alle Ritzen,
Tausend unsichtbare Hände
Aus dem Kessel spritzen.

Aus den Decken, aus den Ecken
Wasserschäume wallen,
Mann und Frau voll Todesschrecken
Auf die Kniee fallen ;
Auch das Pfäfflein muß im Tormel
Sich zu Boden strecken;
Jede Geisterbannungsformel
Bleibt im Hals ihm stecken.

Plötzlich auf mit dumpfem Krachen
Wird die Wand gebrochen,
Daraus kommt mit hellem Lachen
Zwerg auf Zwerg gekrochen;
All' mit Eiern, Speck und Schinken
Vollgepfropft die Taschen,
Und dazwischen sieht man blinken
Weingefüllte Flaschen.

Doch der Dickste von dem Haufen
Klatschet in die Hände,
Und die Wasser sich verlaufen
Wieder durch die Wände;
Dann mit spöttscher Miene kehrt er
Sich zum armen Pfaffen:
»Seht, uns bangt nicht, Hochgelehrter,
Vor der Kirche Waffen!

Mit des ganzen Bannes Strahle
Krümmt Ihr uns kein Härchen;
Und, wo nur in diesem Tale
Lebt ein geizig Pärchen,
Wie hier diese Eheleute,
Machen wir die Runde,
Um zu holen unsre Beute
In der Geisterstunde.

Was wir stehlen bei den Reichen,
Bringen wir den Armen,
Weil sich doch von Euresgleichen
Keiner will erbarmen;
Wollt Ihr frei seyn vom Verdrusse
Unsrer nächsten Einkehr;
So vergesset im Genusse
Nicht der Armut Pein mehr!

»Nun Ade, du zitternd Kleeblatt!
Wollt ihr uns verklagen,
Müßt ihr schon in unsre Seestadt
Euch hinunterwagen;
Dort, vor unsres Königs Throne
Mögt ihr prozessieren,
Aber glaubt mir, zweifelsohne
Werdet ihr verlieren!«

Und der Mummelzwerglein Truppe
Lachend sich davon macht;
Unsrer Geisterbanner Gruppe
Aber liegt in Ohnmacht.
Doch seit dieser Nacht entschwunden
Ist der Geiz vom Pärchen,
Jeder Arme hats empfunden,
Dank dem Mummelschärchen!

Quelle:
August Schnezler „Gedichte“, 2. Auflage,
Creuzbauer und Kasper Verlag Karlsruhe, 1846


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