Christoph von Schmid
Ihr Leutchen, hört, es leb't einmal
auf seinem Rittergute
Ein alter, biedrer General,
ein Mann von edlem Muthe –
Und helfen und trösten, erfreuen und geben,
Dieß war ihm die einzige Freude im Leben.
Ihm starb sein Sohn, da nahm der Mann
Ein armes Fräulein Bäschen
Aus Menschlichkeit zur Tochter an –
Die trug sehr hoch das Näschen;
Sie liebte das Gold nur, nur Perlen und Ringe,
Und andre dergleichen vergängliche Dinge.
»Kind«, sprach einmal der graue Held,
»Du machst mir wenig Freude;
Du liebst nur Tand und Putz und Geld
Und hassest arme Leute;
Du siehst es, ich altre und werde bald sterben –
Drum bessre dich, bessre dich, willst Du mich erben.«
»Doch hör'! Jetzt reis' ich über Land;
Ich will – hier steht die Kasse! –
Daß niemals man mit leerer Hand
Den Dürftigen entlasse.
Doch jedem ehrwürdigen, alten Soldaten
Beschenke mir, hörst du! mit einem Dukaten.«
So ritt er fort; im Abendlicht
Hinkt über die Schloßbrücke,
Die Bärenmütz' tief im Gesicht,
ein Kriegsmann an der Krücke;
Der ehrliche Alte schien nahe dem Grabe,
Und flehte um eine mildherzige Gabe.
»Pack dich«, fuhr ihn das Fräulein an,
»Betrunkener Bärnhäuter,
Du alter, unverschämter Mann,
Mit deiner Krücke weiter;
Sonst laß ich, du Tagdieb, mit Hunden dich hetzen,
Die mögen dann tüchtig den Balg dir zerfetzen.«
»Mord«, flucht der Mann mit Einem Mal,
Mit Augen voller Blitze,
»Sieh her, ich bin der General –
Hier liegen Krück' und Mütze.
Ich wollte Dein Herz nur, mein Bäschen, erproben –
Doch kann jetzt der Vetter das Bäschen nicht loben.«
»Du kannst nicht meine Erbinn sein –
Du sollst mir ohne Säumen,
Und da hilft weder Fleh'n noch Schrey'n,
Die Nacht das Schloss noch räumen.
Denn wer sich nicht annimmt der leidenden Armen,
Verdienet, beym Himmel! auch selbst kein Erbarmen.«
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