Ludwig Tieck
Wie starr auch Frost die Erde strebt zu binden,
Und um sie legt von Schnee und Eis den Schild,
Wie immer Winter braust mit kalten Winden,
Und uns sein Antlitz zornig dräut und wild:
Doch bricht die Kraft, wann mit dem süßen linden
Gefächel Frühling naht, und ringsum mild
Die Gaben streut, und seinem Lachen Blum' und Baum
Entgegen jauchzt mit Duft und Glanz und Blütentraum.
Wie auch die Welt verworren strebt und zaget,
Und mit dem Schicksal oft in Schmerzen ringt,
Was der bedrängte Mensch auch zürnt und klaget,
Wenn ihn des Lebens Not und Angst bezwingt:
Doch wie der Trost nach Kummernacht nur taget,
Im Morgenrot der Lerche Ruf erklingt,
So tönen rings aus Bergen, Tälern, Jubellieder,
Und mit dem Chor der Musen steigt das Glück hernieder.
So ebbt und flutet Nacht und Licht, so spielen
Im Wechselkampf die Geister der Geschicke,
Mit Leid und Lust sie nach dem Herzen zielen,
Bald gold, bald schwarz gehorcht der Pfeil dem Blicke,
Dem Wurf folgt Lächeln, oder Tränen fielen:
Doch welch Geschoß uns auch Verhängnis schicke,
So Schmerz wie Lust wird süßer im Getön der Leier,
Der Geist taucht im Entzücken unter, fühlt sich freier.
Am heitersten, am freisten scherzt die Bühne,
Es knüpft die Farben all' die sinn'ge Hand
Thaliens, daß sich Leid und Lust in Sühne,
Wahrheit und Schein erkennen; magisch band
Des Lebens herben Widerspruch die kühne,
Und wer der Zauberblumen Sinn erkannt,
Dem lächelt auch der Liebe Tröstung selbst im Dunkeln,
Ihm wird der Glanz der Wahrheit aus der Täuschung funkeln.
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