die mittelhochdeutsche Originalfassung findet sich weiter unten:
"Der rîfe tet den kleinen vogellîn wê ..."

Richard Zoozmann / Walther von der Vogelweide

Frühlingslied

    Es tat der Reif den kleinen Vögeln weh,
Da schwiegen sie im Leide;
    Jetzt wieder hör ich sie so hold wie eh
Auf neuergrünter Heide.
    Die Blumen stritten mit dem grünen Klee:
Wer länger wäre?
Ich sagte meiner Herrin diese Märe.

    Uns hat des Winters Frost und andre Not
Gar viel getan zu Leide.
    Ich glaubte schon, nie wieder Blumen rot
Zu sehn auf grüner Heide.
    Es schmerzte gute Herzen, wär ich tot,
Die Lust verlangen
Und sonst auch gerne sangen oder sprangen.

    Versäumt ich solchen wonniglichen Tag,
Mit Recht ich Tadel leide,
    Denn für die Lustbarkeit wär hart solch Schlag –
O weh, daß ich nun meide
    Die Freuden alle, deren einst ich pflag.
Daß Gott euch segne:
O wünschet doch, daß mir auch Heil begegne!


Walter von der Vogelweide

Der rîfe tet den kleinen vogellîn wê ...

Der rîfe tet den kleinen vogellîn wê,
daz si niht ensungen.
nû hœre ichs aber wünneclîch als ê,
nû ist diu heide entsprungen.
dâ sach ich bluomen strîten wider den klê,
weder ir lenger wære.
mîner frouwen seit ich disiu mære.

Uns hât der winter kalt und ander nôt
vil getân ze leide.
ich wânde, daz ich iemer bluomen rôt
gesæhe an grüener heide.
jâ schadet guoten liuten, wære ich tôt,
die nâch fröiden ringen
und die gerne tanzen unde singen.

Versûmde ich disen wünneclîchen tac,
sô wær ich verwâzen,
und wære mir ein angeslîcher slac.
dennoch müese ich lâzen
al mîne fröide, der ich wîlent pflac.
got gesegen iuch alle,
wünschet noch, daz mir ein heil gevalle!

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