Heinrich Seidel: Neues Glockenspiel

III. LIEDER


MEIN FREUND, DER WINTER

Es ist der Trennungstag schon da,
Da schreibt besorgt die Frau Mama:
Schnee liegt in allen Gleisen,
Der Winter ist so grimm und starr,
Bleib nur mein Töchterchen! Fürwahr
Mein Schatz, du darfst nicht reisen!

Du alter Freund im Silberbart,
Du meinst es gut, du Eisenhart,
Dich Winter will ich preisen!
Es drohte Trennung dem Verband,
Du frierst ihn wieder aneinand:
Mein Schatz, der darf nicht reisen!

Du rauhbereifter Nordgesell,
Dein Frost ist mir ein Feuerquell,
Hold deine rauhen Weisen;
Schick Eis und Kälte, dass es klingt,
Und dass mein Herze springt und singt:
Mein Schatz, der darf nicht reisen.

Nun lache Tags mit Sonnenschein!
Und glitzre Nachts mit Sternelein!
Sei streng wie Stahl und Eisen!
Ich will dir wünschen, was dir frommt,
Dass nicht der Dieb, der Thauwind, kommt ––
Und meinen Schatz lässt reisen.

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