Alice von Gaudy
Eine Weihnachtsgeschichte
Er wollte fort – hinaus – hinweg –
die Welt in ihrer Schönheit sehen.
Nun steht er traurig oft auf Deck
und hört den Wind im Segel wehen,
und hört, wie rauschend hoch am Kiel
die wilden Meereswogen quellen ...
So fern die Heimat, fern das Ziel,
und ringsum nichts als Wellen – Wellen. –
... Und heut' ist heil'ges Weihnachtsfest –
jetzt läuten sie daheim die Glocken.
Ob sich ein Christfest denken lässt
auch ohne weiße Winterflocken?
Daheim jetzt der Bescherung Glück,
bei Tannenduft und Lichtgefunkel –
Und hier? – Er kämpft den Schmerz zurück
und flüchtet in der Koje Dunkel.
– Dort sucht er lang im Kasten nach,
bis er den kleinen Zweig gefunden,
den er vom letzten Christbaum brach,
daheim in frohen Weihnachtsstunden.
Braundürre Nadeln knistern leis –
er starrt und starrt – und Tränen blinken,
dann neigt er tief sich auf das Reis
den trauten Waldgeruch zu trinken.
– Eintönig, unablässig rauscht
das Weltmeer an des Schiffes Planken.
Der Knabe hört es nicht. Er lauscht
auf andre Klänge in Gedanken.
Er hört in klarer Winterluft
das „Stille Nacht“ die Seinen singen –
ihn trug des Tannenreises Duft
Zur Heimat auf der Sehnsucht Schwingen.
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