hier geht es zur Übertragung ins Hochdeutsche durch Robert Reinick

Johann Peter Hebel

Der Winter

Isch echt da obe Bauwele feil?
Sie schütten eim e redli Teil
in d'Gaerten aben und ufs Hus;
es schneit doch au, es isch en Gruus;
und's hängt no menge Wage voll
am Himmel obe, merki wol.

Und wo ne Ma vo witem lauft,
so het er vo der Bauwele gchauft (gekauft);
er treit sie uf der Achsle no
und uffem Huet und lauft dervo.
Was laufsch denn so, du närsche Ma?
De wirsch sie doch nit gstohle ha?

Und Gärten ab und Gärten uf
händ alli Scheie Chäppli uf.
Sie stöhn wie grossi Here do;
sie meine, s'heig's sost niemes so.
Der Nussbaum het doch au si Sach
und's Herehus und's Chilchedach.

Und wo me luegt, isch Schnee und Schnee,
me sieht ke Stross und Fuessweg meh.
Meng Somechörnli, chlei und zart,
lit unterm Bode wohl verwahrt,
und schnei's, so lang es schneie mag,
es wartet uf si Ostertag.

Meng Summervögeli schöner Art
lit unterm Bode wohl verwahrt;
es het kei Kummer und kei Chlag
und wartet uf si Ostertag;
und gang's au lang, er chunnt emol,
und sieder schloft's und's isch em wohl.

Doch wenn im Frühlig's Schwaelmli singt
und d'Sunnewärmi abe dringt,
potz tausig, wacht's in jedem Grab
und streift si Totehemdli ab.
Wo numme au ne Löchli isch,
schlieft's Leben use jung und frisch.

Do fliegt e hungerig Spaetzli her!
e Broesli Brot waer si Begehr.
Es luegt ein so verbaermli a;
'het sieder nechte nuet meh gha.
Gell, Buerstli, sell isch anderi Zit,
wenn s'Chorn in alle Fure lit?

Do hesch! Loss andern au dervo!
Bisch hungerig, chasch wieder cho!
's muess wohr si, wie's e Spruechli git:
»Sie seihe nit und ernde nit;
sie hen kei Pflueg und hen kei Joch,
und Gott im Himmel naehrt sie doch.«


Übertragung ins Hochdeutsche

Robert Reinick

Der Winter

Wer hat die Baumwoll' oben feil?
Sie schütten schon ein redlich Teil
Ins Feld herunter und auf's Haus.
Es schneit doch auch, es ist ein Graus;
Noch hängen ganze Säcke voll
Am Himmel da, ich merk es wohl!

Und wo ein Mann von weitem lauft,
Hat von der Baumwoll' er gekauft,
Er trägt sie auf den Achseln schon
Und auf dem Hut und läuft davon.
Was läufst du so, du närrscher Wicht?
Gestohlen hast du sie doch nicht?

Und Gärten ab und Gärten auf
Hat jeder Pfahl sein Käppel auf;
Sie stehn wie Herren rings umher,
Denkt jeder Wunder was er wär';
Der Nußbaum auch macht's ihnen nach,
Und auch das Schloß- und Kirchendach.

Ja, Schnee und Schnee! Und rings umher
Man sieht nicht Straß noch Fußweg mehr.
Manch Samenkörnchen klein und zart
Liegt unterm Boden wohl verwahrt,
Und schneit 's, so lang es schneien mag,
Es harrt auf seinen Ostertag.

Manch Schmetterling von schöner Art
Liegt unter'm Boden wohlverwahrt;
Hat keinen Kummer, keine Klag
Und harrt auf seinen Ostertag;
Währt es auch lang, er kommt ja doch,
Bis dahin schläft's in Frieden noch.

Doch wenn die Schwalb im Frühling singt,
Die Sonne warm das Land durchdringt,
Hei, da erwacht's in jedem Grab
Und streift sein Totenhemdchen ab,
Und wo sich nur ein Löchlein zeigt
Schlüpft Leben 'raus, so jung und leicht.

Da fliegt ein hungrig Spätzchen her,
Ein Bissel Brod wär' sein Begehr,
Es sieht dich an so jämmerlich
Und bittet um ein Bröckchen dich.
Gelt Bürschchen, das ist andre Zeit,
Wenn's Korn in alle Furchen streut!

Da hast! Gib Andern auch was her,
Bist hungrig, komm hübsch wieder her!
Ja, wahr ist, was das Sprüchlein spricht:
„Sie säen nicht, sie ernten nicht,
Sie haben keinen Pflug, kein Joch,
Und Gott im Himmel nährt sie doch.“

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