Julius Sturm

Am Weihnachtsabend

Ach, wie unendlich lang ist heut der Tag!
Die Kinder zählen jeden Glockenschlag.
Nun endlich doch verglüht hoch überm Tal
Im Westen sanft der Sonne goldner Strahl.

»Sieh, Schwesterlein, nun wird es draußen Nacht;
Schon ist ein goldnes Sternlein aufgemacht,
Ein zweites jetzt und mehr und immer mehr.
Dort wohnt das Christkind mit dem Engelheer.«

Die Kleinste spricht: »Kennt ich nur seinen Stern!
Vom Himmel fliegen säh ich's zu gern;
Doch weiß ich wohl, die Mutter sieht's allein,
Es huscht ganz heimlich in das Haus hinein.«

»Horch! Hörst du's knistern?« Und sie atmen kaum,
»Gewiss, das Christkind bringt den Tannenbaum!
Er brennt! Er brennt!« Es fällt ein heller Schein.
Durchs Schlüsselloch ins dunkle Kämmerlein.

Nun spürt man schon der Tanne würz'gen Hauch.
Der Bruder fragt: »Kannst du dein Sprüchlein auch?
Ich hab' mir mein's soeben aufgesagt,
Dass ich nicht stocke, wenn das Christkind fragt.«

Die Schwester nickt! - Ein helles Glöcklein klang;
Dem kleinen Pärchen wird so wonnigbang.
Die Tür springt auf; aus grüner Zweige Kranz
Strahlt blendend hell der Weihnachtskerzen Glanz.

Und jetzt zum Tisch! Oh, wie das jauchzt und lacht:
»Oh, sieh nur, was das Christkind mir gebracht!«
Die Wangen glühn, die Augen blitzen klar;
Am Hals der Eltern hängt das frohe Paar.

Nun spielen sie am hellen Weihnachtstisch;
Wie bleiben doch die Äuglein heut so frisch!
Der Sandmann, der zu früher Zeit sonst naht,
Hat sicher heut verfehlt den rechten Pfad.

Doch endlich ruft die Mutter: »Nun ins Nest,
Damit ihr frisch erwacht am Weihnachtsfest!
Zu Bett! Zu Bett!« Die Lichter löschen aus,
Und Engel halten Wacht am stillen Haus.

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